von Jörg Hofmann | November 2023
Schon in den
frühen 1860er Jahren wurde beim jungen Turnverein Wädenswil erkannt, dass die
zunehmende Zahl von älteren Turnern ein Problem darstellt. Der
Altersunterschied behindere den Turnbetrieb sowie das gesellschaftliche Leben,
hiess es und viele würden wegen einem fehlenden altersgerechten Turnprogramm
dem Verein den Rücken kehren.
Als Lösung
wurde die Gründung eines Männerturvereins beschlossen. Im September 1862
erfolgte die Gründungsversammlung und eine grössere Zahl von Turnern trat dem
neuen Verein bei. Unter den Gründervätern befand sich neben weiteren bekannten
Wädenswilern auch der spätere Bundesrat Walter Hauser.
Von Anfang
an besass das gesellschaftliche Leben und die Pflege der Kameradschaft einen
hohen Stellenwert. In den Statuten von 1871 wurden diese sozialen Aspekte und ein
wöchentliches Treffen in einem Lokal sogar explizit festgehalten. Dass die
Statuten mit turnerischer Disziplin befolgt wurden (und werden) beweist der
Vermerk des Protokollführers im Jahre 1899 nach einer Besichtigung der Brauerei
Weber: «Das Weber-Bier ist für den grössten Teil der Männerturner
unentbehrlich».
Lange galten
die Protokolle aus der Frühzeit des Männerturnvereins als verschollen. Dass
dafür der von den Männerturnern geliebte Gerstensaft verantwortlich war, ist
eine reine Spekulation. Fakt ist aber, die Protokolle wurden beim Abbruch des
Engelsaals gefunden, von Prof. Peter Ziegler archiviert und gesichtet. Dabei
stellte sich heraus, dass die Vereinsgründung im Jahre 1862 und nicht wie bis
anhin angenommen 1861 erfolgte und man 1961 und 1986 die Jubiläen ein Jahr zu
früh feierte.
Das
Vereinsleben bestand nicht nur aus turnerischen Aktivitäten und Festivitäten.
Nach dem Turnen traf man sich in einem Lokal zu Verhandlungen und Diskussionen und
nahm damit Einfluss auf das politische Leben von Wädenswil.
1915 wurde
der Männerturnverein nach einem stetigen Niedergang mangels Mitgliedern
aufgelöst und 1916 neu gegründet.
Die turbulente Vereinsgeschichte wurde von Prof. Peter Ziegler in den
Wädenswiler Jahrbüchern 2010 und 2011 in lesenswerten Beiträgen umfassend festgehalten.
Die vorstehenden Ausführungen basieren auf diesen Beiträgen.
Seither
besteht der neue Männerturnverein ununterbrochen und erlebt wie alle
traditionellen Vereine Hochs und Tiefs. Aus verschiedenen Gründen (Alter der
Mitglieder, fehlende Neumitglieder, gesellschaftliche Veränderungen, neue
Sportangebote und zuletzt noch Corona) geht in den letzten Jahren die Zahl der
Mitglieder und vor allem der aktiven Turner in den Hallen stetig zurück. Die
grössten Probleme stellen sich aber bei der Besetzung des Vorstandes, der
Leiterstellen und das Finden von Helfern für die nach wie vor vielfältigen und
beliebten nichtturnerischen Anlässe.
Realistisch
gesehen ist die Zukunft des Vereins ohne neue Mitglieder nicht gesichert. Der
Übertritt von älteren Turnern des Turnvereins zum Männerturnverein wäre die
logische Lösung der bedrohlichen Situation. Solche «Quersubventionen» würden
auch den Absichten der Gründerväter entsprechen: nämlich den älteren Turnern
des Turnvereins eine ihrem leistungsvermögen angepasste Fortsetzung des aktiven
Turnens im Kreise der Turnfamilie zu bieten. Warum das nicht klappt, ist nicht
klar. Es sind zugegebenermassen zwei eigenständige Vereine, beide haben jedoch die
gleichen Ziele, Traditionen und pflegen die gleichen Ideale. Frühere
Animositäten bestehen nach allgemeiner Einschätzung auch nicht mehr. Seit dem 150
Jahre Jubiläum des Männerturnvereins im Jahre 2012 kennt und schätzt man sich
und hilft sich gegenseitig bei grossen Anlässen aus.
Deshalb der
Aufruf an die reifen Turner des Turnvereins, gebt euch einen Ruck und unserem
Verein eine Chance. Wir warten und zählen auf euch; damit 2037 auch der
Männerturnverein sein 175 Jahre Jubiläum feiern kann.