Interview mit Daniel Tamsel | Mai 2024
Daniel Tamsel ist am 11.06.1960 geboren und kommt von Fribourg. Er ist seit 1990 im Turnverein Wädenswil als Trainer der Kunstturner tätig. Als Elektroingenieur ETH übt er einen der aktuell meistgesuchten Jobs als Primarschullehrer aus. Seine Hobbys neben dem Turnverein sind Lesen und Sport. Sein Lieblingsgerät ist der Barren und die Schweizer Mannschaftsmeisterschaften sind seine bevorzugten Wettkämpfe. Sein Lebensmotto lautet: Bleibe dir treu!
Daniel, die Wettkampfsaison der Wädenswiler Kunstturner ist
im vollen Gange. Wie viele Wädenswiler Turner, welcher Kategorie trainierst du?
In
unserer Kunstturnerriege bin ich verantwortlich für 25 Turner. Dies mache ich
nicht alleine. Ein sehr engagiertes fünfköpfiges Leiterteam unterstützt mich
dabei. In den Trainings unterrichte ich unsere fünf Turner der Kategorie P1.
Meine Kolleginnen und Kollegen bilden die EPA, EP und P2 Turner aus.
Zwischendurch schaue ich auch in den anderen Gruppen vorbei und gebe Ratschläge
oder Korrekturen, damit ein Element noch besser erlernt werden kann.
Wie bereiten sich die Turner auf wichtige Wettkämpfe vor?
Die Vorbereitung beginnt jeweils nach den Sommerferien. Da
liegt der Fokus auf dem Kraftaufbau und der Beweglichkeit. Ganz wichtig ist das
Erlernen neuer Elemente für die nächsthöhere Kategorie. Bis ein neues Element
sicher geturnt und in eine Übung eingebaut werden kann dauert es meistens ein
Jahr. Bei schwierigen Elementen sogar bis zu zwei Jahren. Jedes Element muss
technisch korrekt geturnt werden. Anfangs Jahr setzen wir die Elemente zu einer
Übung zusammen und üben diese intensiv. Das Mentale spielt eine wichtige Rolle,
beinhaltet eine Übung doch bis zu 15 Elemente. Für die sechsjährigen Turner ist
dies eine grosse Herausforderung.
Die älteren Kunstturner haben uns am DTB-Pokal Stuttgart
beeindruckt. Was zeichnet diese Kunstturner aus?
An diesem Turnier durften vier Wädenswiler starten, Tim und
Dominic bei der Elite, Carlo und Janic bei den Junioren. Alle vier turnen seit
vielen Jahren. Ihre Stärke ist es, fokussiert und zielgerichtet zu trainieren
und ihre Zeit optimal einzuteilen. Neben den vielen Trainingsstunden gehen alle
noch zur Schule oder an eine Hochschule. Da braucht es viel Disziplin und
Ausdauer.
Die Nachwuchsturner holten gar sechs Podestplätze am
Bülicup. Wie motivieren sich die Jungs im Training für den nächsten Wettkampf?
Motivation,
vor allem Eigenmotivation, ist enorm wichtig. Wenn ich als Trainer das Training
abwechslungsreich und interessant gestalte, so kann ich viel zur Motivation
beitragen. Aber schlussendlich braucht es immer die Turner, die motiviert ins
Training kommen und sich gegenseitig herausfordern.
Welche Rolle spielt die Teamdynamik im Kunstturnen?
Auch
im Kunstturnen braucht es ein gutes Team, welches sich motiviert und
miteinander ein Ziel erreichen will. An EM oder WM finden meist auch
Teamwettkämpfe statt. Da muss jeder einzelne Turner seine Bestleistung abrufen,
damit das gesamte Team erfolgreich ist. Die Unterstützung und Anspornung durch
die Turnkameraden ist entscheidend und gibt dem Turner das zusätzliche
Quentchen Energie, welches es für eine perfekte Übung braucht.
Nun zum grossen Event Junioren EM in Rimini IT. Du hast die
Meisterschaft live miterlebt, was hat Dich beeindruckt?
Das Juniorenteam mit Janic und Carlo zeigte fehlerfreie
Übungen. Dies ist eine unglaubliche Leistung. Zu einem bestimmten Zeitpunkt
bereit zu sein und dies vor einem zahlreichen Publikum zu zeigen braucht enorme
Konzentration und eine intensive Vorbereitung.
Janic Fässler an der JEM in Rimini, Foto: Janis Fasser
Nils Landis an den Zürcher Nachwuchsmeisterschaften, Foto: Martin Fröhlich
Soeben haben wir die Einzelwettkampfsaison mit dem Heidilandcup abgeschlossen. Nun bereiten wir uns für das Turnfest in Einsiedeln vor. Da werden wir im Vereinsgeräteturnen mit Barren, Sprung und dem Hindernislauf als Team antreten.
Begleitest du die Jungs an jeden Wettkampf
Ja, ich bin an jedem Wettkampf dabei. Entweder betreue ich
meine P1-Turner, helfe bei den anderen Gruppen mit oder bin oft auch als
Kampfrichter im Einsatz.
Wer oder wie wird entschieden wer an welchem Wettkampf mit
darf?
Unsere Wettkampfsaison dauert von anfangs April bis Ende
Mai. In dieser Zeit nehmen wir an sechs bis sieben Wettkämpfen teil. Wir
entscheiden grundsätzlich im Leiterteam, welche Wettkämpfe wir besuchen wollen.
An diese Wettkämpfen nehmen wir alle Turner mit, unabhängig ihres
Leistungsniveaus. Eine Teilnahme ist obligatorisch.
Gibt es im Training auch Frust?
Manchmal läuft es nicht rund im Training. Da muss ich darauf
reagieren können und versuchen, die Turner trotzdem zu motivieren.
Gibt es besondere Rituale oder Glücksbringer, die die Turner
vor einem Wettkampf verwenden?
Einige Turner nehmen ihren Glücksbringer mit. Viel wichtiger
ist aber ein Händedruck durch die Trainer. Damit bestärken wir die Turner, dass
sie bereit sind für ihren Wettkampf.
Die Wettkampfsaison der Wädenswiler Kunstturner zeigte Höhen
und Tiefen. Welches Highlight prägte Dich persönlich am meisten?
Mich freut es immer wieder, wenn ich die Fortschritte der
Turner bewundern kann und die Freude der Turner spüre, wenn sie ein neues
Element beherrschen. Speziell freuen mich auch die Top-Resultate unserer
Spitzenturner an internationalen Anlässen. Ein unvergessliches Erlebnis war die
Junioren-EM in Glasgow mit Tim und Dominic. Mit winzigen 6 Hundertstel Punkten
verpassten sie den 4. Rang. Auch die EM der Elite in München 2022 im ehemaligen
Olympiastadion war grossartig. Das Schweizer Team, das ohne die besten
Schweizer Turner antreten musste, erreichte mit Tim und Dominic den
unglaublichen vierten Rang!
Wir sind mega stolz auf Janic Fässler und Carlo Riesco. Wie
geht es mit den beiden Topathleten weiter. Gibt es deinerseits eine Prognose?
Die zwei Jungs haben grosses Potential. Janic turnt noch ein
weiteres Jahr bei den Junioren. Carlo wechselt nun zur Elite. Da muss er sich
mit der gesamten Weltelite messen und die ist extrem stark. Da er erst 18 Jahre
alt ist, hat er noch einige Jahre Zeit, seine Übungen zu erschweren. Einige
Turner spezialisieren sich auf ihre Lieblingsgeräte, andere bleiben beim
Mehrkampf und trainieren weiterhin alle sechs Geräte. Ich wünsche den beiden,
dass sie in den nächsten Jahren den Sprung ins Schweizer Nationalkader
schaffen. Leider sind beide im Moment verletzt. Ich hoffe aber, dass sie sich
gut erholen und bald wieder gesund werden.
Zudem holte Nils Landis und Janic Fässler den
Kantonalmeistertitel. Was ist das Rezept, dass der TVW immer wieder tolle
Turner hervorbringt?
Für uns sind alle Turner wichtig. Wir fördern sie und
bringen ihnen die Faszination des Turnens bei.
An der diesjährigen Schweizer Meisterschaft nimmt Tim
Randegger teil. Welches Potenzial schreibst du ihm zu?
Seine
starken Geräte sind Boden, Sprung und Reck. Er hat bereits in den vergangenen
Jahren tolle Wettkämpfe gezeigt. An der letztjährigen SM holte er Bronze im
Mehrkampf, am Pferdpauschen und an den Ringen. Ich drücke ihm die Daumen, dass
er auch diesmal wieder Medaillen holt.